Das war’s also. 16 Tage lang hat die Welt auf Rio geschaut. 16 Tage lang war die Stadt im Ausnahmezustand. 16 Tage lang herrschte Hochspannung für Tausende Athleten, aber auch für uns Berichterstatter. Und jetzt?
Jetzt ist erst mal Pause. Bis am 7. September die Paralympics beginnen. Hunderttausende Sportler, Journalisten und Touristen verlassen Rio in diesen Tagen. Ich bleibe. Und ich frage mich: Wie geht es weiter? Haben die Spiele wirklich „eine neue Welt“ geschaffen, wie der Olympiaslogan verspricht?
Die Antwort ist einfach: Nein. Was den Cariocas bleiben wird, sind ein leicht verbessertes Transportsystem, eine hübsche, neue Flaniermeile im Zentrum und eine Menge Sportarenen. Ach ja, und lauter brandneue Luxusapartments in Barra da Tijuca.
Von der ausgebauten Metro und den neuen Schnellbuslinien werden sicher einige Menschen profitieren. Man darf aber nicht vergessen: Diese ganze Infrastruktur ist komplett auf Barra da Tijuca ausgerichtet.
Die Einwohner der reichen Vorstadt Rios dürften die Transportmittel eher weniger nutzen. Názio, Taxifahrer in Barra, sagte mir vor ein paar Tagen, manche seiner Kollegen würden sich darum sorgen, Kunden an den öffentlichen Nahverkehr zu verlieren. Er macht sich darüber keine Gedanken: „Die meisten Menschen hier sind sich zu fein, mit dem Bus zu fahren.“
Wer die Verkehrsmittel nutzen wird, sind also vor allem diejenigen, die in Barra arbeiten. Zum Beispiel etliche Bewohner der Favela Rocinha. Sie brauchen ab Ende September, wenn die Metrolinie 4 für die Cariocas geöffnet wird, nur noch wenige Minuten zu ihren Arbeitsplätzen als Putzfrauen, Portiers, Hausmädchen.
Es bleibt spannend in Rio
Ob das die Intention der Stadt war? Wohl kaum. Die Verbindung zwischen Ipanema und Barra hatten die Cariocas schon seit vielen Jahren gefordert. Das zeigt, dass es der Regierung nicht wirklich um ihre Bürger geht. Dass sie nun davon profitieren, ist ein (positiver) Nebeneffekt.
Ob sie auch von den vielen neuen Arenen profitieren werden, ist eine andere Frage. Schon vor den Panamerikanischen Spielen hatte die Stadt Rio de Janeiro mit dem tollen Erbe für die Bevölkerung geworben, das die Stadien darstellen würden.
Was blieb? Weiße Elefanten, wie man so schön sagt. Genau wie nach der Fußball-Weltmeisterschaft 2015. Die meisten Arenen standen leer, boten den Bürgern rein gar nichts, wurden nicht instand gehalten. Viel Geld für nichts.
Dass das viele Geld für die große „Sicherheitsoperation“ notwendig war, steht indes außer Frage. Aber: Was kommt danach? Wenn die mehr als 85 000 Polizisten und Soldaten Ende September abziehen, kehrt die Kriminalität zurück. Und zwar geballt, fürchten manche Brasilianer.
Andere glauben sogar, dass dann nach und nach auch die „Befriedungseinheiten“ der Militärpolizei aus den Favelas abgezogen werden. Dienten sie doch vor allem der Vorbereitung der Stadt auf die WM und Olympia. Oder? Zum Teil. Eigentlich dienten sie vor allem einem anderen Zweck: der Wieder-Aufwertung ehemals hochwertiger Wohnviertel rund um Favelas für den Immobilienmarkt.
Nicht zufällig konzentrieren sich viele der Polizei-Einheiten auf die reiche Südzone Rios. Um eine Aufwertung für den Immobilienmarkt ging es auch vorrangig bei der hübschen, neuen Flaniermeile im Zentrum, dem „Porto Maravilha“ (Wunderhafen). Und in Barra da Tijuca sowieso.
Mal sehen, was in den nächsten Wochen und Monaten noch so alles ans Licht kommt. Eins ist sicher: Es bleibt spannend in Rio de Janeiro. Der Stoff für Geschichten wird mir sicher auch nach den Spielen nicht ausgehen.
Erschienen am 22. August 2016 auf RNZ Online