Rios Bürgermeister Eduardo Paes ist frustriert. Kein Wunder: Seit Jahren fiebert er auf die Olympischen Spiele in seiner Stadt hin. Und jetzt, acht Wochen vor Beginn, nichts als Chaos: Wissenschaftler machen Panik wegen Zika, die Interimsregierung demontiert sich selbst, die neu eröffnete Tram bleibt am ersten Tag stehen. Ach ja, und: „Wir wissen nicht einmal, welcher Präsident in zwei Monaten die Spiele eröffnet“, so Paes in einem Interview mit der Online-Zeitung Brasil 247.

Temer oder Rousseff: Der Senat soll am 2. August über das Impeachment von Dilma Rousseff abstimmen – drei Tage vor Beginn der Spiele. Nicht nur in der Bevölkerung ist die Stimmung inzwischen umgeschlagen, auch einige Senatoren haben bereits signalisiert, dass sie gegen die Amtsenthebung stimmen könnten. Die Rückkehr Rousseffs noch vor dem 5. August ist also nicht völlig undenkbar.

Kein Wunder, bei der Zwischenbilanz der Interimsregierung: Michel Temer musste sich nach Abhörskandalen von zwei Ministern verabschieden; Generalbundesanwalt Rodrigo Janot beantragte diese Woche Haftbefehle gegen vier Spitzenpolitiker aus Temers Partei. Temer selbst ist ebenfalls in Korruptionsermittlungen verstrickt – und dürfte die nächsten acht Jahre nicht einmal für das Präsidentenamt kandidieren.

Zika und Co.: Olympia verschieben? Unsinn, sagen Wissenschaftler der Stiftungen Oswaldo Cruz und Getúlio Vargas in Rio de Janeiro (Artikel auf Englisch: http://memorias.ioc.fiocruz.br). Im August und September sei das Infektionsrisiko minimal. Eine Warnung halten sie jedoch aufrecht: Schwangere sollten nicht ins Land reisen. Für alle anderen gelte: Wie geplant nach Rio kommen, Mückenschutz aufsprühen – und beim Sex Kondome benutzen.

Carlos Brito, Forscher an der Universität von Pernambuco, sieht Zika gar nicht als das größte Problem: Er glaubt, dass sich das Virus Chikungunya, ebenfalls übertragen durch die Tigermücke, noch viel intensiver im Land ausbreiten wird.

Die Wettkampfstätten: Was die Bauarbeiten der Stadt angeht, läuft es für Rio überraschend gut: Fast alle Wettkampfstätten sind fertig oder im Zeitplan. Nur das Velodrom hinkt hinterher. „Wir sind bei 89 Prozent“, sagt Sheila Machado von der Stadt Rio. In zwei Wochen sollten die 100 voll sein: Dann nämlich ist hier ein Testwettbewerb geplant, der eigentlich schon im März stattfinden sollte.

Der Olympische Komplex in Deodoro hat es diese Woche aus anderen Gründen in die Schlagzeilen geschafft: Die zuständigen Baufirmen sollen den Staat um 85 Millionen Reais (rund 21 Millionen Euro) betrogen haben. Vielleicht sind die Bauprojekte rund um die Spiele doch nicht ganz so „sauber“, wie der Bürgermeister bislang behauptete?

Die Infrastruktur: Klasse Start für die neue Tram in Rios Zentrum: Erst wurde die Eröffnung wochenlang verschoben, dann blieb das Gefährt gleich am ersten Tag hängen. Stromausfall. Man sei noch in der Anpassungsphase, argumentiert die Stadt. Bleibt zu hoffen, dass sich die neue Metrolinie schnell anpasst: Der Verkehr auf der „olympischen Achse“ zwischen Ipanema und Barra da Tijuca soll – ebenfalls verspätet – am 1. August starten.

Wie sich Menschen mit Behinderung während der Spiele in der Stadt bewegen, bleibt noch eine spannende Frage. Keine Probleme dürfte es in den Wettkampfstätten geben: Hier soll alles barrierefrei sein. Darüber hinaus haben es Rollstuhlfahrer in Rio schwer. Einige Busse haben zwar Aufzüge – die funktionieren aber oftmals nicht. Und auch viele Gehwege im Zentrum gleichen eher einem Hindernisparcours.

Was sagen die Cariocas: „Vor der WM war es viel schlimmer, geklappt hat am Ende trotzdem alles“, ist der Tenor, wenn man die Cariocas, die Einwohner Rios, fragt. Olympia ist für die meisten Brasilianer noch kein großes Thema. Sie haben genug andere Sorgen.

Erschienen am 10. Juni 2016 auf RNZ Online