65 Kilo Müll stecken in den fünf Ringen, die seit Neuestem am Strand von Copacabana Olympiastimmung verbreiten. Die brasilianische Künstlerin Elisa Brasil hat in der ganzen Stadt weggeworfene Plastikflaschen gesammelt und zu einem drei mal sechs Meter großen Kunstwerk verarbeitet. Die Botschaft: Recycling ist super. Und: Rio hat ein Müllproblem. Dass Elisa Brasil in der ganzen Stadt sammelte, hat wohl eher symbolische Gründe. Die 65 Kilo Plastik hätte sie auch alleine in der Böschung neben meinem Haus auflesen können.
Die meisten Brasilianer haben nichts mit „Nachhaltigkeit“ am Hut. Das Motto lautet eher: Nach mir die Sintflut. Der Mann an der Bushaltestelle lässt seine Coladose aus der Hand auf den Bürgersteig fallen, nachdem er sie leer getrunken hat. Ein Mädchen wickelt sein Bonbon aus dem Papier und wirft es im Vorbeilaufen in den Busch. Es ist nicht so, dass die Stadt keine öffentlichen Mülleimer hätte.
Aber dafür müsste man ja ein paar Extraschritte machen.
Man kann es leider nicht anders sagen: Rio ist eine einzige Müllhalde. Und die Cariocas produzieren immer mehr. Selbst der kleinste Einkauf wird in Plastiktüten verpackt. Wenn ich dankend ablehne und sage, ich habe eine Tasche dabei, werde ich jedes Mal mit großen Augen angeschaut. Oft habe ich das Gefühl, mich rechtfertigen zu müssen, als hätte ich ein großzügiges Angebot ausgeschlagen.
Schlimmer ist es nur im Supermarkt. Die Kassierin zieht die Sachen nicht nur über den Scanner, sie verpackt sie auch. In ein Meer aus Plastiktüten. Zunächst stülpt sie zwei Tüten ineinander, als wenn eine alleine das Gewicht, das nun folgt, nicht halten könnte. Sie lädt vorsichtig das Spülmittel, die Packung Schwämme und den Kaffee ein. Damit ist scheinbar das Maximalgewicht für die Tütenkonstruktion erreicht. So verlassen Brasilianer den Supermarkt in der Regel mit Dutzenden Plastiksäcken.
Immerhin verwenden sie diese zu Hause wieder – als Mülltüten. In manchen der abgeschlossenen Wohnanlagen wurde in den letzten Jahren sogar eine Art Mülltrennung eingeführt. Die Plastiktüten (am liebsten zwei ineinander) voller Rest- und Biomüll wandern in den Schacht, der irgendwo im Keller endet. Verpackungen, Pappe und Glas werden davor abgestellt und täglich eingesammelt. Ob die Müllabfuhr sie am Ende tatsächlich getrennt abtransportiert und recycelt? Wer weiß.
Was fehlt, ist nicht nur das Bewusstsein für Nachhaltigkeit bei den Bürgern. Viel gravierender ist, dass ein Teil des städtischen Abwassers in die Guanabara-Bucht fließt. Das Wasser ist so stark verschmutzt, dass die Strände an der Bucht seit Jahren nicht zu benutzen sind. Und die Präfektur ist meilenweit von ihrem olympischen Versprechen entfernt, das Wasser um 80 Prozent zu reinigen.
Vielleicht sollte Bürgermeister Eduardo Paes in Erwägung ziehen, Künstler wie Elisa Brasil zu fördern. Sie könnten den dreckigen Job der Müllsammler übernehmen und gleichzeitig das Stadtbild mit ein paar Recycling-Kunstwerken verschönern.
Erschienen am 25. Juli 2016 auf RNZ Online