„Als ich meine Zeit gesehen habe, dachte ich: Okay, jetzt kannst du nach Hause gehen“, sagt Philip Heintz nach dem Halbfinale über 200 Meter Lagen. Er sieht entspannt aus. Mit der achtbesten Zeit – 1:58.85 Minuten – hat er es gerade so ins Finale geschafft.

Mittags im Vorlauf hatte sich der 25-Jährige noch in Bestform gezeigt, mal eben den deutschen Rekord gebrochen und die Zeit von Michael Phelps um fast eine Sekunde überboten.

Was war in der Zwischenzeit passiert? Eine fast dreistündige Dopingkontrolle, sagt Heintz. Erst um 18 Uhr sei er auf dem Zimmer gewesen. Keine Zeit für Mittagsschlaf und Physiotherapie. „Mir war vor dem Rennen schon klar, dass ich körperlich nicht mehr bei 100 Prozent bin. Ich wusste: Ab 25 Meter musst du arbeiten, und genauso war es auch.“

Er sei dennoch entspannt ins Rennen gegangen, sagt er. Das sah man ihm auch an. Kurz vor dem Vorlauf zeigt die Anzeigetafel im Stadion die Schwimmer hinter den Kulissen, wo sie auf ihren Aufruf warten. Philip Heintz wirkt konzentriert, rollt den Kopf. Er zwinkert kurz, als er bemerkt, dass die Kamera auf ihn gerichtet ist.

La-ola-Wellen laufen unter den von oben herabhängenden Nationalflaggen und den Olympischen Ringen durch die Zuschauerreihen. „He ho, Brasil“, tönt es immer lauter. Heintz tritt wie schon beim Vorlauf gegen den Brasilianer Henrique Rodrigues an. Als der aufgerufen wird, tobt die Halle.

Auch der Heidelberger hat die Sympathien des Publikums, wenngleich er mit verhaltenerem Jubel vorlieb nehmen muss als Rodrigues. Er lächelt, hebt die Arme zur Begrüßung. Ruhig spritzt er sich Wasser ins Gesicht und auf die Brust, klatscht sich auf den Oberkörper, stellt ein Bein auf den Startblock und wartet.

Als die Trillerpfeife ertönt, wird es still im Stadion. Die Schwimmer erklimmen die Blöcke, beugen sich vor. Und Start. Heintz kommt sehr gut ins Rennen, das Ende der ersten Bahn erreicht er als Erster. Wie im Vorlauf fällt er auf den zweiten 50 Metern in der Rückenlage zurück, holt auf der dritten Bahn wieder auf. „Henrique“-Sprechchöre feuern den brasilianischen Schwimmer an, die Halle bebt vom Trampeln der Zuschauer.

Am Ende kommt Heintz als Dritter seines Rennens an. Fast eine Sekunde langsamer als im Vorlauf.

Im zweiten Halbfinale liefern sich Michael Phelps, Ryan Lochte und der Brasilianer Thiago Pereira ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Heintz fiebert minutenlang, bis die Anzeigetafel das Ranking und damit die Startliste für das Finale zeigt. Gerade so geschafft.

„Ich wusste, dass es schwierig wird, das habe ich bei Marco Koch gesehen“, sagt er danach. Koch war eine der großen Medaillenhoffnungen des Deutschen Schwimm-Verbandes gewesen. Eineinhalb Stunden vor Heintz’ Halbfinale hatte Koch das Finale über 200 Meter Brust versiebt. Siebter Platz, drei Zehntelsekunden fehlten zu Bronze.

Franziska Hentke verpasste in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch mit der elftbesten Zeit sogar den Einzug in den Endlauf über 200 Meter Schmetterling. Und Paul Biedermann war einen Tag zuvor im 200-Meter-Freistil-Finale nur auf Rang sechs gelandet.

Auch die Freistilstaffel mit Biedermann, Clemens Rapp, Florian Vogel und Christoph Fildebrandt machte Medaillenhoffnungen zunichte. Einzig Team-Rio-Schwimmer Rapp hatte hier eine Bestzeit geliefert.

Jetzt ruhen also einige Hoffnungen auf Philip Heintz. Ihm ist klar: Er hatte Glück, es in den Endlauf zu schaffen. „Ich bin froh, dass ich mich irgendwie reingemogelt habe“, sagt er und lacht: „Jetzt will ich vor allem das Finale genießen. So schwimme ich auch immer am schnellsten.“

Erschienen am 12. August 2016 auf RNZ Online

Foto von Martina Amrein