Fliegende Händler weisen den Weg von der Metro-Station São Francisco Xavier zum Maracanã. Sie haben Brasilien-Flaggen, grüne Perücken und Tröten im Angebot. Eigentlich sollen die vielen Freiwilligen des Organisationskomitees mit großen Papphänden dafür sorgen, dass sich niemand auf dem Weg zur Eröffnungsfeier verläuft. Das wäre nicht nötig gewesen, macht aber nichts: Alle hier scheinen begeistert. Die einen so sehr, dass sie kosten- und pausenlos durchackern, einfach nur, um dabei zu sein, die anderen, weil sie sich gute Geschäfte versprechen. Brasiliens Kontraste.

Begeisterung schürt auch die Eröffnungsfeier. Eine Tanzperformance zeigt die wechselhafte Geschichte Brasiliens, von den Ureinwohnern über die portugiesischen Kolonisatoren und die Sklaverei bis hin zur heutigen Favela. Man könnte es beinahe als selbstkritische Reflexion verstehen. Würde die Favela nicht als glitzernder Teil der Stadt dargestellt und ihre Kultur gefeiert. Die Realität sieht anders aus.

Als IOC-Präsident Thomas Bach feierlich von der olympischen Welt spricht, in der alle gleich sind, und von der Einheit in der Vielfalt, wird es einem warm ums Herz. Ja, das ist es, worum es bei den Spielen gehen sollte – und so sollte nicht nur die olympische Welt aussehen. Carlos Arthur Nuzman, Vorsitzender des Brasilianischen Olympischen Komitees, spricht von der „neuen Welt“, die die Spiele schaffen.

Doch: Für wen ist diese neue Welt? Jedenfalls nicht für die Bewohner der gut 700 Favelas in Rio. Deren Urbanisierung war eigentlich Teil des olympischen Versprechens gewesen. Umgesetzt wurde es in einer Handvoll der informellen Viertel. Andere mussten kurzerhand verschwinden, so wie die Vila Autódromo. Heute stehen dort, wo einst über 700 Familien lebten, 20 kleine, weiße Häuschen direkt neben dem Parkplatz beim gigantischen Hauptpressezentrum in Barra. Hier wohnen die Wenigen, die die Präfektur nicht geschafft hat zu verdrängen. Nirgendwo zeigen sich Brasiliens Kontraste gerade besser als hier, am Rande des Olympiaparks.

Gleich neben der zusammengeschrumpften Siedlung fahren Tag und Nacht Busse mit Journalisten, Athleten und Komiteemitgliedern ab. Die Journalisten zahlen 98 Reais (28 Euro) pro Kilo für ihr Essen. Die Menschen auf der anderen Seite des Zauns sammeln Müll und verkaufen Wertstoffe, um sich ihr Essen zu verdienen. Ein Ticket für einen Wettkampf? Können sie sich nicht leisten.

Diese neue Welt ist nicht für alle. Selbst im olympischen Rio sind nicht alle gleich. Als die Eröffnungszeremonie nach beinahe vier Stunden mit minutenlangem Feuerwerk endet, frage ich mich: Hätte die Stadt nur auf zwei Minuten verzichtet, was hätte sie mit dem Geld alles für ihre Bevölkerung tun können?

Erschienen am 8. August auf RNZ Online