Manuel Just hat es befürchtet: Es ist 14.10 Uhr, vor zehn Minuten hätte die erste Bürger-Wahlkampfveranstaltung beginnen sollen, ein Seniorenmittag in der Alten Villa. Aber außer der CDU-Ortsverbandsvorsitzenden Uschi Pschowski und SPD-Gemeinderätin Eva-Marie Pfefferle ist niemand da. „Der Zeitpunkt ist denkbar schlecht“, sagt Just, „in den Ferien, unter der Woche, um 14 Uhr.“ Anders sei es leider nicht machbar gewesen.

Aber Just weiß auch, dass das nicht das einzige Problem ist. „Viele Bürger gratulieren mir jetzt schon zur nächsten Amtszeit, sie denken, es ist ja schon entschieden.“ Der einzige Kandidat für die Bürgermeisterwahl fürchtet, dass genau aus diesem Grund viele am Sonntag, 19. April, nicht zur Wahl gehen werden. Dabei sei es nicht nur eine Pflicht, sondern ein Recht der Bürger zu wählen. Und für den Bürgermeister sei es eine Legitimation und eine Bestätigung seiner Arbeit in den letzten acht Jahren.

Professor Michael Haus von der Universität Heidelberg, Experte für lokale Politikforschung, sieht das Problem in der Direktwahl: „Wenn der amtierende Bürgermeister kandidiert, hat er einen extrem großen Amtsbonus. Herausforderer haben es dagegen schwer, weil sie meist kaum bekannt sind.“ Hinzu komme, dass man die Kandidaten oft nicht direkt einer Partei zuordnen könne. Das kann dann, wie in Hirschberg, auch dazu führen, dass niemand gegen den Amtsinhaber antritt.

Für die Bürger erscheint die Sache damit klar, sie sehen keinen Grund mehr, überhaupt zur Wahl zu gehen. Haus kann das verstehen, aber: „Demokratie funktioniert nur, wenn die Leute wählen gehen.“ Dass eine niedrige Wahlbeteiligung die Position des Bürgermeisters schwächt, glaubt er nicht. Allerdings sei der Vertrauensvorschuss dann weniger stark. „Für eine lebendige Politik vor Ort ist das nicht gerade motivierend“, glaubt der Politikwissenschaftler.

Eine Parteienwahl mit Spitzenkandidaten für das Amt des Bürgermeisters, wie es sie bis in die 1990er-Jahre in der Mehrzahl der Bundesländer gab, würde er für sinnvoller halten; die Bürger könnten dann eine grobe Richtung wählen, auch ohne die Kandidaten genau zu kennen. „Das macht die Wahl offener.“

Dass auch eine scheinbar klare Wahl überraschend ausgehen kann, zeigte kürzlich das Beispiel Albstadt: Klaus Konzelmann siegte in der 45.000-Einwohner-Gemeinde auf der Schwäbischen Alb über den seit 16 Jahren amtierenden Oberbürgermeister Jürgen Gneveckow – obwohl sein Name nicht auf dem Wahlzettel stand. Dennoch fügten 43,4 Prozent der Wähler seinen Namen handschriftlich hinzu; in der Stichwahl gewann er schließlich klar.

Ob man nun einen Namen hinzufügt, den Stimmzettel ungültig macht, indem man die Seite durchstreicht, oder für den vorgeschlagenen Kandidaten stimmt – bei nur einem kann man das übrigens auch durch ungekennzeichnetes Abgeben des Wahlzettels -, eines gilt: Wer nicht wählen geht, kann sich hinterher nicht beschweren. Und auch, oder vielleicht gerade wer mit seinem Bürgermeister eigentlich zufrieden ist, sollte sich die Mühe machen, ihn mit seiner Stimme auch demokratisch zu legitimieren.

Manuel Just hofft nun, dass bei der nächsten Veranstaltung am Sonntag im Seniorenzentrum am Turm mehr Interessierte kommen. Und vor allem hofft er auf eine rege Wahlbeteiligung am 19. April. Immerhin sind dann die Osterferien vorbei.

Erschienen am 9. April 2015 auf RNZ Online

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